Memo

 
Die griechische Mythologie als eine wunderbare und lebensnahe Imagination des Göttlichen:
"Ihre Götter sind kleinlich. Sie streiten sich. Sie kämpfen mit-einander. Sie hassen. Sie morden. Sie ficken. Ihr Zeus will die ganze Zeit nur ficken - Göttinnen, Sterbliche, Kühe, Bärinnen -, und das nicht nur in seiner gewöhnlichen Gestalt, sondern auch als tiergewordene Manifestation seiner selbst, was die Sache noch aufregender macht. Als riesiger Stier eine Frau besteigen. Als flatternder weißer Schwan bizarr in sie eindringen. Für den Götterkönig gibt es nie genug Fleisch, nie genug Verirrungen. All der Wahnsinn, den das Begehren gebärt. Die Ausschweifung. Die Verderbtheit. Die niedrigsten Lüste. Und die Wut der alles sehenden Ehefrau. Nicht der hebräische Gott, der unendlich allein und unendlich verborgen ist, der monomanisch darauf besteht, daß er der einzige Gott ist, der war, ist und sein wird ... Und auch nicht der seiner Sexualität ganz und gar beraubte christliche Mensch-Gott und seine unbefleckte Mutter und all die Schuld und Scham, die diese äußerste Entrückung in uns weckt. Statt dessen der griechische Zeus, in Abenteuer verstrickt, lebensnah, ausdrucksstark, launisch, sinnlich, fruchtbar vermählt mit seinem eigenen reichen Leben, alles andere als allein, alles andere als verborgen. Statt dessen der göttliche Makel. Eine großartige, wirklichkeitsgetreue Religion ... Die überhebliche Phantasie behauptet: gestaltet nach dem Bilde Gottes - na gut, aber nicht unseres Gottes, sondern ihres Gottes, des Gottes der Griechen. Des verdorbenen Gottes. Des unreinen Gottes. Des Lebensgottes schlechthin. Gestaltet nach dem Bilde des Menschen."
Philip Roth, Der menschliche Makel, 272ff.
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