"Die ungöttliche Wirklichkeit gibt uns das Schöne gar nicht, oder einmal! Ich will sagen, daß die Welt übervoll von schönen Dingen ist, aber trotzdem arm, sehr arm an schönen Augenblicken und Enthüllungen dieser Dinge. Aber vielleicht ist dies der stärkste Zauber des Lebens: es liegt ein golddurchwirkter Schleier von schönen Möglichkeiten über ihm, verheißend, widerstrebend, schamhaft, spöttisch, mitleidig, verführerisch."
Friedrich Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft
in: Werke II, 201

Die Schönheit der Welt ist ein Versprechen, das sich niemals oder nur in seltenen Augenblicken erfüllt. Das mag daran liegen, dass uns die Empfänglichkeit für sie fehlt und sie deshalb nur eine Ahnung bleibt. So begleitet sie uns als ein Horizont, der sich immer wieder entzieht. Doch eine Verheißung ist sie auch nur für den, der die Sehnsucht kennt. Man muss das Gegebene überschreiten wollen, seine eigenen Wurzeln verlieren und sich den Möglichkeiten ausliefern. Dann erfährt man den Zauber des Lebens.



Nietzsche, Friedrich: Werke in drei Bänden. Herausgegeben von Karl Schlechta. München: Carl Hanser Verlag, 1954