Gefühle


 
"»Vertraue deinem Gefühle!« – Aber Gefühle sind nichts Letztes, Ursprüngliches, hinter den Gefühlen stehen Urteile und Wertschätzungen, welche in der Form von Gefühlen (Neigungen, Abneigungen) uns vererbt sind. Die Inspiration, die aus dem Gefühle stammt, ist das Enkelkind eines Urteils und oft eines falschen! – und jedenfalls nicht deines eigenen! Seinem Gefühle vertrauen – das heißt seinem Großvater und seiner Großmutter und deren Großeltern mehr gehorchen als den Göttern, die in uns sind: unserer Vernunft und unserer Erfahrung."
Friedrich Nietzsche, Morgenröte
in: Werke 1, 1036

Allzu oft berufen wir uns auf Gefühle, vor allem wenn uns die Argumente fehlen, um uns zu verteidigen. Wir machen Gefühle geltend, wenn wir die Auseinandersetzung mit uns selbst und anderen scheuen. So sind Gefühle oft Fluchtwege. Sie sind selten ein unmittelbarer Ausdruck des Selbst, sondern Niederschlag eines sozialen Umfeldes, das zu Zeiten Nietzsches aus Verwandten oder Freunden bestand aber auch aus der Literatur. Heute sind es eher die Massenmedien und die »sozialen Medien«, die die Gefühle produzieren.



Nietzsche, Friedrich: Werke in drei Bänden. Herausgegeben von Karl Schlechta. München: Carl Hanser Verlag, 1954