"Die Gnadenlosigkeit des Ekels bildet den Grund des Ekels. Die Verzweiflung angesichts dieser unausweichlichen Anwesenheit begründet diese Anwesenheit selbst. Dadurch setzt sich der Ekel nicht nur als etwas Absolutes, sondern als Akt des Sich-Setzens selbst: es ist die Bejahung des Seins selbst. Er verweist nur auf sich selbst, geschlossen gegenüber dem Rest, ohne Öffnung auf etwas anderes. Er enthält in sich selbst den Mittelpunkt seiner Anziehung. Und der Grund dieser Bejahung besteht in einer Ohnmacht angesichts seiner eigenen Wirklichkeit, Ohnmacht, die diese Wirklichkeit selbst begründet."
Emmanuel Lévinas, Ausweg aus dem Sein, 51f.

Den Ekel als »Bejahung des Seins« zu sehen mag seltsam anmuten. Gemeint ist eine ohnmächtige Einschließung ins Sein durch die Unerbittlichkeit, die Transzendenzlosigkeit des Ekels. Die Anwesenheit des Ekels, des Abscheus ist eine Gegenwärtigkeit ohne Fluchtmöglichkeit. Das ist dann die »Erfahrung des reinen Seins«: Ausgeliefert-sein bis zum Ersticken. Die Unmöglichkeit zu sein ist die »Erfahrung des reinen Seins«. Bejahung des Seins bedeutet, im Sein gefangen zu sein.



Lévinas, Emmanuel: Ausweg aus dem Sein. Hamburg: Felix Meiner, 2005