Leben


 
"Des menschlichen Lebens Zeit ist ein Augenblick, sein Wesen dem fließenden Wasser ähnlich; die Empfindung ist dunkel, des ganzen Körpers Gewebe zum Verwesen geneigt, die Seele ein Kreisel, ihr Schicksal ein Rätsel, des Menschen Nachrede verworren; kurzum, was zum Leib gehört, ein Strom, was zur Seele gehört, Traum und Rauch; das Leben ein Kampf und eine Reise im fremden Land, der Nachruhm Vergessenheit."
Marc Aurel, Selbstbetrachtungen, 39

Angesichts der Unermesslichkeit der Zeit und der Unendlichkeit des Raumes erscheint ein Leben in seiner Vergänglichkeit als ein flüchtiges Glück, unbedeutend und belanglos. Seine Schönheit ist durchsetzt mit Leiden und Kampf, worin es letztlich auch endet. In allem bleibt es nicht nur ein unauflösliches Geheimnis, sondern auf eine bestürzende Weise nichtig.
Nichtig ist das individuelle Leben, denn das Leben selbst bedeutet für das Individuum den Tod.


Aurel, Marc: Selbstbetrachtungen.
Aus dem Griechischen von Otto Kiefer. Mit einem Vorwort von Klaus Sallmann. Frankfurt am Main: Insel Taschenbuch, 1992