Zeit


 
"Wie kann das Vergangene die Vergangenheit in der Zeit bilden? Wie kann das Gegenwärtige, die Gegenwart vergehen? Niemals vermöchte der vorübergehende Augenblick vorübergehen, wäre er nicht schon vergangen und zugleich noch gegenwärtig, erst zukünftig und doch zugleich schon gegenwärtig. (...) Der Augenblick muß in einem gegenwärtig und vergangen, gegenwärtig und zukünftig sein, damit er vergehen kann (und zugunsten anderer Augenblicke auch vergeht). Das Gegenwärtige muß mit sich als Vergangenes und Zukünftiges koexistieren."
Gilles Deleuze, Nietzsche und die Philosophie, 54

Zeit ist vergehende Zeit. Zwischen Vergangenheit und Zukunft ist die Gegenwart nur eine Verheißung und keine Wirklichkeit, sie ist ein trügerischer Schein. Das Erlebte ist im Erleben immer schon vergangen, aber auch noch zukünftig, doch nie gegenwärtig. Die Zeit ist der Entzug der Gegenwart. – Doch wir neigen dazu, die Gegenwart aus dem Zeitfluss zu lösen und zu isolieren. Selbstvergewisserung erzeugt das Phantasma der Präsenz und steigert sich zu einer Form von Ewigkeit und Unsterblichkeit.



Deleuze, Gilles: Nietzsche und die Philosophie. München: Rogner & Bernhard, 1976