"... daß die wahre Tragödie des Alterns darin bestand, daß dort in unserem Innersten ein ewiges Kind weiterlebt, das die vorübergehende Zeit nicht wahrnimmt. Dieses (...) nahm für sich in Anspruch, nicht zu altern, zumal es die zerbrochenen Träume, die vergeblichen Hoffnungen und die tollkühnen und verheißungsvollen Abenteuer in sich trug, bei denen die Zeit keine Rolle spielt, ja nicht einmal denkbar ist. Eines Tages sorgt der Körper dafür, uns zu warnen, und für einen Augenblick erwachen wir und stehen der Tatsache unseres Verfalls gegenüber: jemand hat die ganze Zeit über unser Leben gelebt und unsere Kräfte verbraucht."
Alvaro Mutis, Ein schönes Sterben, 131

Es haust ein unbekümmertes Kind in unserer Seele und narrt uns mit leichtfüßiger Sorglosigkeit über die Realität der Vergänglichkeit hinweg. Erst unsere alternden Körper öffnen dem Erschrecken die Tür, dass wir unser Leben uns selbst verborgen zerlebt haben, als hätte es ein anderer getan.



Mutis, Alvaro: Ein schönes Sterben. Roman. Frankfurt am Main: Suhrkamp (suhrkamp taschenbuch), 1996