"In einer Zeit ohne Verheißung und voller Abdankung übermannt uns die eigene Frühe, als man nur von Versprechungen lebte. Und so kommt es, daß man sich weit von den Menschen entfernt, nur um die Versprechungen des Herzens noch einmal zu spüren, besser, härter, verklärter, das ist: reiner und erzrein. Die Sehnsucht will nicht Natur, nicht Wachstum, Differenz, nicht die Vermehrung der Unterschiede, des Abweichens, der Individualität. Die Sehnsucht eines Menschen verharrt bei den un- und übernatürlichen Genien, der Schönheit und der Magie, vom ersten Lächeln bis zum letzten Gebet."
Botho Strauß, Wohnen Dämmern Lügen, 188

Man mag im Alter den Träumen früherer Zeiten nachspüren, doch man wird sie nicht wiederfinden, denn damals waren sie Bewegungen ins Ungewisse, Ausdruck unbegriffener Sehnsucht, nun aber sind sie nur noch Erinnerungen, blasse Abbilder, in denen der Aufbruch erstarrt ist.



Strauß, Botho: Wohnen Dämmern Lügen. München Wien: Luchterhand, 1994