"Nein, unser Leben wird nirgends von Kreiszeit berührt. Man kann es drehen und anschauen wie man will; man kann dagegen andenken, mit Ideen spielen, gewaltige Troste konstruieren, Ausgleichsverfahren des Glaubens oder der Abstraktion – aber Lebenszeit bleibt doch Abschiedszeit. Vergeht dem Pfeile nach. Und alle Wiederkehren sind Gesichte und Gespinste, die aus der Erschöpfung, der Enttäuschung, der Unfaßlichkeit des einen todbringenden Langlaufs hervorgehen."
Botho Strauß, Kongreß. Die Kette der Demütigungen, 46

Unser Leben gleicht einem Flusslauf. Es krümmt sich, birgt Untiefen, gerät in Strudel, aber niemals kehrt es zur Quelle zurück. In der Erinnerung, in konstruierten Träumen, in spielerischen Fantasien versuchen wir die Rückkehr, scheitern jedoch an der unumstößlichen Tatsache, dass wir längst Abschied nehmen mussten – und das fortwährend. Der Fluss eilt der Mündung entgegen, so wie unser Leben dem Tod.



Strauß, Botho: Kongreß. Die Kette der Demütigungen. München: dtv, 1993