"Menschen, aus denen nichts Rechtes oder nicht annähernd das von ihnen Gemeinte wurde, haben den Wiedersehenstrieb im Exzeß. (...) Und vor allem hat das Wiedersehen mit ebenso völlig erloschener wie glänzend gewesener Vergangenheit etwas von dem Mitleid mit sich selbst, das sich in der üblichen Rührung dieser Augenblicke kenntlich macht. Dann erst bildet sich die allerschlimmste Katastrophe, der völlig luftleere Raum: nämlich das Wiedersehen mit Ruinen und nichts als Eingekapselten darin wird leicht zum Abschied von sich selbst, als von jenem, der nicht wurde. Ein Toter ist dann zurückgekehrt, der in den Zimmern Briefe an längst Verstorbene abgibt."
Ernst Bloch, Spuren, 87

Das Wiederbeleben-wollen von Vergangenem und Verlorenem wird zum Ausdruck des Scheiterns an der Gegenwart. Je mehr man um sich trauert, weil man nicht der wurde, der man sein wollte, desto größer die Wehmut. Das Nicht-Gelebte in der Vergangenheit wird dann zum Abschied vor dem Tod.



Bloch, Ernst: Spuren. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Bibliothek Suhrkamp), 1972