ein Traum Walter Benjamins - Vorbemerkung
In der Sicht der Pathognostik ist der Traum ein autoreferentielles Gebilde, das heißt, der Traum träumt sich selbst, ist eine sich selbst erhaltende Repräsentativität. Die Repräsentativität wird permanent durch die Drohung ihres Verlustes angefochten, bis schließlich an einem Kulminationspunkt der Träumende aufwacht.
Die Funktion des Traumes ist die Bewältigung eines Einspruchs gegen das Repräsentationsvermögen, das heißt gegen den Traum selbst. Die die Homogenitätsausrichtung bedrohende Differenz muß im Traum selbst repräsentiert werden, um seinen Zusammenbruch zu verhindern. Der Traum vollzieht sich als ein Hinausschieben der Grenze der Repräsentation, das Jenseits dieser Grenze wäre der Tod. Als dieser Todesaufschub ist der Traum die Bedingung seiner selbst. Jeder Traum träumt sich selbst.
An Benjamins Traum fällt zunächst auf, daß in den einzelnen Szenen etwas offensichtlich Bedrohliches aufkommt, das in Regie genommen wird, indem es eine Verwandlung erfährt. Gegen die Sarkophagen- (=Fleischfresser) Betten setzt sich die Unmöglichkeit, sich auf ihnen niederzulassen, gegen das als Schiff erscheinende Wasser die Schiffsbrücke als Position des Kapitäns, gegen die Kastrationsdrohung des Schlitzes im Hut die Absonderung von den anderen Personen, gegen den verführerischen weiblichen Körper die Zeichnung des Bettlakens als Schrift.
Benjamin hebt zu Beginn seines Briefes hervor, daß es in dem Traum um das Lesen gehe. Also um Repräsentation. Das Glücksgefühl am Ende des Traumes, das Benjamin hindert, wieder einzuschlafen, bedeutet, daß dieses Lesen, also die Repräsentation in der Schrift, erfolgreich hergestellt wurde.
Notizen aus Seminaren von Rudolf Heinz (Mitte der 80er Jahre)

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