ein Traum Walter Benjamins - Entäußerung der Schrift
Die nun erscheinende Schrift als gelungene Objektivierung wird gefährdet dadurch, daß sie sich in den Händen einer Frau befindet, die als der Graphologie kundig die Abtrennung der Schrift vom Subjekt, welche ihre Disponierung garantieren würde, rückgängig zu machen sich anschickt. Indem die Schrift droht, "intime Eigenschaften" des Schreibers zu offenbaren, scheitert ihre vollständige Entäußerung, und sie bleibt dem Subjekt partiell anhaftend.
Aber von der Schrift ist nur ein »d« zu erkennen. In seinem physiognomischen Ausdruck ein "starkes Sehnen nach Spiritualität" ausdrückend verweist es auf den Träumer selbst, der seinen Traumbericht auch mit "Detlef" unterzeichnet hat ("Detlef Holz" war eines der Pseudonyme Benjamins). Mit »d« beginnt auch der Name seines Traumbegleiters Dausse, der den Traum selbst als Repräsentation der Repräsentation darstellt. Als vierter Buchstabe des Alphabets sigifiziert er zudem die vierte Frau, die ebenfalls für den Traum selber steht.
Das "d" besitzt ein Segel, welches das eigene Sprechen ist. In dem vom Träumer gesprochenen Satz »Es handelte sich darum, aus einem Gedicht ein Halstuch zu machen« formuliert sich nochmals das Traumprojekt selber: Die Herstellung des Kopfes als Verkörperung von Intellektualität aus der Schrift. Der Kopf errichtet sich auf der Einfassung des Halstuchs im Unterschied zur verhüllenden Bedeckung durch den Hut.
Nach dem Aussprechen des Satzes sieht der Träumer eine der Frauen im Bett liegen. Sie hebt die Decke, aber der Träumer sieht nicht den Körper der Frau, sondern das Schriftmuster auf dem Bettlaken. Seine Augen sind gleichsam "woanders" und es gelingt die Verschiebung vom Körper der Frau zur Schrift, die Verwandlung des Sehens ins Denken.
Notizen aus Seminaren von Rudolf Heinz (Mitte der 80er Jahre)

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