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Dann beginnt sein erbitterter Kampf gegen die Verlobung. Er versucht, Felice mit allen Mitteln zu kränken. Zum Beispiel läßt er in Berlin über ein Detektivbüro Nachforschungen über ihren Ruf anstellen und schickt ihr dann den Bericht. Er schreibt ihr auch, daß er seinen Eltern die Einwilligung gegeben habe, Informationen über ihre gesamte Familie einzuholen. Und er entwertet sich wortreich in seinen Briefen.
"Winde ich mich nicht seit Monaten vor Dir wie etwas Giftiges? Bin ich nicht bald hier, bald dort? Wird Dir noch nicht elend bei meinem Anblick? Siehst Du noch immer nicht, daß ich in mich eingesperrt bleiben muß, wenn Unglück, Dein, Dein Unglück, verhütet werden soll? Ich bin kein Mensch, ich bin imstande, Dich, die ich am meisten, die ich allein unter allen Menschen liebe (...), kalten Herzens zu quälen, kalten Herzens die Verzeihung der Qual anzunehmen. (...) So wie ich bin, darf ich zur Not leben, ich wüte nach innen, quäle nur in Briefen, sobald wir aber zusammen leben, werde ich ein gefährlicher Narr, den man verbrennen sollte. Was würde ich anrichten! Was müßte ich anrichten! Und würde ich nichts anrichten, wäre ich erst recht verloren, denn es wäre gegen meine Natur, und wer mit mir wäre, wäre verloren." (8.7.1913)
"Ich habe das bestimmte Gefühl, durch die Ehe, durch die Verbindung, durch die Auflösung dieses Nichtigen, das ich bin, zugrundezugehn und nicht allein, sondern mit meiner Frau und je mehr ich sie liebe, desto schneller und schrecklicher." (10.7.1913)
"Nicht das Leben dieser Glücklichen, die Du in Westerland vor Dir hergehen siehst, erwartet Dich, nicht ein lustiges Plaudern Arm in Arm, sondern ein klösterliches Leben an der Seite eines verdrossenen, schweigsamen, unzufriedenen, kränklichen Menschen, der, was Dir wie ein Irrsein erscheinen wird, mit unsichtbaren Ketten an eine unsichtbare Literatur gekettet ist, und der schreit, wenn man in die Nähe kommt, weil man, wie er behauptet, diese Kette betastet." (22.7.1913)
Aber sie scheint unerbittlich an die Möglichkeit eines gemeinsamen Glückes mit ihm zu glauben und scheint ihm auch seine düsteren Prophezeiungen nicht ganz abnehmen zu wollen:
"Du wirst Dich an mich gewöhnen, Liebste, schreibst Du, aber unter welchen, vielleicht unerträglichen Leiden." (24.7.1913)
Er bittet sie um eine 'Gegenwerbung' bei ihrem Vater, indem sie ihm seine Briefe zeigen soll.
Anfang September flieht er dann, er fährt zunächst nach Wien und Venedig, dann in ein Sanatorium nach Riva, wo er sich auf eine Affaire mit einer "Schweizerin" einläßt.
Sechs Wochen hörte Felice nichts mehr von ihm. Sie schickt dann ihre Freundin Grete Bloch nach Prag, die zwischen ihnen vermitteln soll.
Kafka wendet nun sein Interesse Grete Bloch zu und schreibt ihr Briefe. Aber im Schutz der Distanz zu Felice durch diese Briefe an Grete Bloch, in denen er über Felice schreibt, fängt er wieder an, um Felice zu werben. Um die Jahreswende von 1913 zu 1914 macht er ihr in einem 40-seitigen Brief aufs neue einen Antrag. Gleichzeitig wirbt er auch um Grete Bloch. Seine Briefe an sie sind eigentlich Liebesbriefe. Grete Bloch wird denn auch eifersüchtig auf Felice Bauer.
Grete fühlte sich schuldig gegenüber Felice. Seine Briefe an sie, in denen Kafka seine Angst vor der bevorstehenden Ehe mit Felice eingestand, übergab sie Felice. Daraufhin wurde Kafka nach Berlin zitiert, es kam zu dem 'Gericht' im 'Askanischen Hof' (am 12.7.1914).
Diese öffentliche, vor beiden Familien stattfindende Entlobung stellte für Kafka eine tiefe Demütigung dar, die er in seinem Roman "Der Prozeß" in Literatur verwandelte.
Es folgt für Kafka eine Zeit intensiver Produktivität und Zufriedenheit mit sich.
Franz Kafka, Briefe an Felice