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Am 23. und 24. Januar kommt es wieder zu einem Treffen zwischen Kafka und Felice in Bodenbach an der Grenze. Es muß trostlos und öde gewesen sein. In seinem Tagebuch schreibt er (24. Januar 1915):
"Jeder sagt es sich im stillen, daß der andere unerschütterlich und erbarmungslos ist. Ich lasse nicht ab von meiner Forderung nach einem phantastischen, nur für meine Arbeit berechneten Leben, sie will, stumpf gegen alle stummen Bitten, das Mittelmaß, die behagliche Wohnung, Interesse für die Fabrik, reichliches Essen, Schlafen von elf Uhr abends an, geheiztes Zimmer, stellt meine Uhr, die seit einem viertel Jahr um eineinhalb Stunden vorangeht, auf die wirkliche Minute ein.
(...)
Zwei Stunden waren wir allein im Zimmer. Um mich herum nur Langeweile und Trostlosigkeit. Wir haben miteinander noch keinen einzigen guten Augenblick gehabt, währenddessen ich frei geatmet hätte. (...) Ich habe ihr auch vorgelesen, widerlich gingen die Sätze durcheinander, keine Verbindung mit der Zuhörerin, die mit geschlossenen Augen auf dem Kanapee lag und es stumm aufnahm. (...) Meine Feststellung war richtig und wurde als richtig anerkannt: Jeder liebt den anderen so, wie dieser andere ist. Aber so wie er ist, glaubt er mit ihm nicht leben zu können."
Aus dieser Begegnung in Bodenbach und ihrer Enttäuschung wächst Kafka die Kraft zu, sich von ihr innerlich zu distanzieren. In den darauf folgenden Briefen ist nun Felice mehr die Werbende und beklagt sich zum Beispiel des öfteren über sein Nicht-Schreiben.
Im Mai 1915 kommt es wieder zu einer Begegnung, in der Böhmischen Schweiz, diesmal zu dritt mit Grete Bloch, was zu ihrem Gelingen beigetragen haben dürfte. Einige Woche danach treffen Felice und er sich in Karlsbad, diesmal wird es wieder eine Katastrophe. Danach entzieht er sich ihr, schreibt ihr kaum noch, was sie quält. Sie schlägt ihm immer wieder eine erneute Begegnung vor. Seine Reaktionen in seinen Briefen:
"Es wäre schön zusammenzukommen, wir sollen es aber doch nicht machen. Es wäre nur etwas Provisorisches und am Provisorischen haben wir schon genug gelitten.
"Vor der Zusammenkunft warne ich Dich und mich, denke genügend stark an frühere Zusammenkünfte und Du wirst es nicht mehr wünschen...Also keine Zusammenkunft."
Im Mai 1915 macht Kafka wieder einen Annäherungsversuch. Auf seinen Vorschlag hin verbringen beide im Juli 10 Tage in Marienbad, von denen die letzten fünf glücklich verlaufen. Sie haben jetzt beide den Plan, wie aus einem Brief an Brod hervorgeht, nach Kriegsende zu heiraten und in Berlin zusammenzuwohnen.
In den folgenden Briefen versucht er nun, Einfluß auf ihre Lebensart zu gewinnen, sie zu "entbürgerlichen" (Canetti). "Allmählich wird es wirklich eine Art von Unterordnung und Gehorsam, die er von ihr erwartet. Die Korrektur an ihrem Bilde, die Wandlung ihres Charakters, ohne die er sich ein künftiges Leben mit ihr nicht vorstellen kann, wird nach und nach zu ihrer Kontrolle." (Canetti)
Gegen Ende des Jahres treffen sie sich in München, wo er eine Lesung hatte. Dort kommt es zwischen beiden wegen einer Geringfügigkeit zum Streit. Felice scheint sich seinen Ansprüchen an sie widersetzt zu haben.
"Er lehnte es ab, Felice zu Weihnachten zu sehen, und seit vier Jahren zum ersten Mal klagte sie über Kopfschmerzen, sie hatte sie offensichtlich von ihm übernommen."
Aber im Juli 1917 kommt es zur zweiten offiziellen Verlobung. Felice war in Prag, fuhr dann mit ihm zu ihrer Schwester nach Ungarn. Dort scheint es zu einem ernsten Zerwürfnis gekommen zu sein. Kafka ist nun entschlossen, die Beziehung mit ihr zu beenden, und verläßt sie in Budapest, um über Wien allein zurück nach Prag zu fahren. Aber er findet nicht die Kraft zur Trennung und so bekommt er in der Nacht vom 9. auf den 10. August einen Blutsturz.
Franz Kafka, Briefe an Felice