"Dahin gelangen: dem Nichts unerschrocken ins Auge blicken können; vollkommen klar zu sehen, daß das Ende unserer Existenz unausweichlich ist, daß sie nicht mehr lange dauert (wie schnell sind die letzten zehn Jahre vergangen!). Daß die Auslöschung endgültig sein wird, daß wir ohne Tröstungen auskommen müssen."
Walter Kappacher, Selina oder Das andere Leben, 229

Gegen die eigene Endlichkeit weder aufbegehren noch sie verleugnen – dies erscheint wie ein Traum eines wahrhaftigen Lebens. Könnte es gelingen, den unüberbietbaren Verlust auf sich zu nehmen, ohne zu klagen und sich zu wehren? Ein angstfreies Verhältnis zum eigenen Tod ist vielleicht möglich durch ein weitgehendes Absehen von sich, von eigenen Wünschen und Interessen. Was zunächst wie Resignation aussieht, könnte das Gefühl einer gelassenen Verbundenheit mit den Kräften des Lebens sein, die den Tod nicht ausschließen.



Kappacher, Walter: Selina oder Das andere Leben. Roman. Wien: Deuticke, 2005