"Wenn du auch dreitausend Jahre lebtest oder dreißigtausend, so vergiß doch nie, daß keiner ein anderes Leben verliert, als das, welches er wirklich lebt, und kein anderes lebt, als das, welches er verliert. Das längste Leben läuft also mit dem kürzesten auf eines hinaus. Der gegenwärtige Augenblick ist für alle gleich und der entschwindende sollte es nicht sein? Auch der verlorene erscheint in Wirklichkeit nur wie ein Augenblick, denn weder kann man die Vergangenheit, noch die Zukunft verlieren, denn was man nicht hat, kann man auch nicht verlieren."
Marc Aurel, Selbstbetrachtungen, 38

Mit dem Tod verlieren wir nur die Gegenwart. Denn die Vergangenheit, das, was gewesen ist, haben wir bereits verloren. Und die Zukunft kann uns nicht verloren gehen, weil wir sie noch nicht besessen haben. – Diese Sichtweise ist verführerisch, aber zu einfach: Man kann auch das verlieren, was man nicht hat.



Aurel, Marc: Selbstbetrachtungen. Aus dem Griechischen von Otto Kiefer. Mit einem Vorwort von Klaus Sallmann. Frankfurt am Main: Insel Taschenbuch, 1992