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Helmut Brandt: ohne Titel


 
Hugo von Hofmannsthal: Ödipus und die Sphinx (1905):
Nachdem Ödipus Kenntnis hatte vom Orakel, will er nicht mehr nach Korinth zurück. Seinem Diener, der ihn zurückhalten will von seiner Flucht in die Einsamkeit, vertraut er an, daß er "noch kein Weib berührt" habe, obwohl ihn schon oft Sehnsucht danach geplagt und es auch Gelegenheiten gegeben habe, "aber es war als läge ein Schwert auf der Schwelle". Auf die Frage, ob "Scham und Scheu" der Grund gewesen sei, antwortet er: "O nein: es ist ein Schwert dazwischen gelegen./ Und weißt du, warum? Meiner Mutter wegen."
Dieser Grund der Zurückhaltung enthüllt sich als Wunsch nach einer absoluten Beziehung:
"Wo ein Blick mich nicht bände bis in alle Seelentiefen,/ wo nicht die Welt mir schwände,/ wo nicht Ehrfurcht und Schauder mich ganz auflöste -/ wie könnte ich mich da geben?/ und eine nehmen und nicht mich geben,/ dies tun, und es wäre nicht ein Wirbel,/ der mein ganzes Wesen in sich reißt ..."
Jokaste erzählt im 2. Aufzug der Mutter des ermordeten Laios - Antiope, von der sie als unfruchtbar geschmäht wird -, von ihrer Geburt eines Jungen, von dem das Orakel vor seiner Geburt prophezeit hat, daß er den Vater töten und seinen Thron einnehmen werde, und daß er wohl von Laios getötet worden sei. Für Jokaste ist die Sphinx ein vom gemordeten Kind geschickter Rache-Bote, wie auch der Mord an Laios irgendwie die Rache des Kindes sein müsse:
"Doch einen Herold hats zuerst geschickt,/ der nistete sich ein, von wo sein Singen/ zum Vater zum Vater und zur Mutter drang, sooft sie schlafen gehen wollte."
Die Sphinx veranlaßte Laios zu der Reise, die ihm zum Verhängnis wurde. Sein Mörder war nur Werkzeug "für einen, der im Dunkel stand. So schlug/ das Kind den Vater. Doch sein Bote wartet/ noch immer dort. Ihm fehlt noch immer etwas/ zu seiner Botschaft, die er melden soll/ dort unten".

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