Erfahrung


 
"Das Warten ist auf nichts gerichtet: denn der Gegenstand, der es erfüllen könnte, würde es nur auslöschen. Und doch ist es nicht resignierte Unbeweglichkeit; es hat die Ausdauer einer Bewegung, die sich kein Ziel verspricht und den Lohn des Ausruhens nicht kennt; es birgt sich in keine Innerlichkeit; jedes seiner kleinsten Teile fällt in ein uneinholbares Außen. Das Warten kann sich auch nicht am Ende seiner eigenen Vergangenheit selbst erwarten, es kann sich nicht an seiner Geduld entzücken, noch kann es sich ein für allemal auf den Mut verlassen, der ihm niemals gefehlt hat. Es sammelt sich nicht im Gedächtnis sondern im Vergessen."
Michel Foucault, Das Denken des Außen; in: Von der Subversion des Wissens, 80f.

Zunächst und zumeist warten wir auf etwas. Doch es gibt auch ein Warten, dem das Ziel fehlt. Dann wird das Warten zu einer selbstläufigen Bewegung, der jede Erfüllung verwehrt bleibt. Es ist unermüdlich und ohne Bewusstsein, aus ihm lässt sich nichts ableiten. Es ist ein Verlust, der sich nicht als Schmerz oder Trauer aneignen lässt. – Dieses Warten ist eine Grundstimmung menschlicher Existenz, ein vergebliches Warten auf sich selbst, das sich der eigenen Leere nähert ohne sie zu erreichen, denn sie fällt mit dem Tode zusammen.



Foucault, Michel: Von der Subversion des Wissens. M�nchen: Carl Hanser Verlag, 1974