"Wer in die Wüste geht, sucht den Raum auf, der sich wie kein anderer dazu eignet, von einem Weltort aus die Welt zu minimieren. Wüste ist die Option, von der Welt allein den unvermeidlichen Rest hinzunehmen; in der üblen Welt ist der lebensfeindlichste Ort das geringste Übel. Die Wüste bildet nur noch einen durchscheinenden Film von Seiendem, der die Seelen vor dem unmittelbaren Verschwinden im letzten Grund zurückhält; sie ist das reale Fast-nicht-Sein, das kein Interesse für sich fordert, sondern wie ein leeres kosmisches Therapiezimmer für die Inszenierung der Seele offensteht."
Peter Sloterdijk, Weltfremdheit, 95

Die Wüste ist eine Verminderung der Welt. Sie besteht aus homogenen Flächen, sie ist eine entdifferenzierte reine Welt. Die Wüste als Reduktion des Außen öffnet den Raum der Innerlichkeit als Askese. Der leere Raum der Wüste, abweisend und lebensfeindlich, wirft das Subjekt auf sich selbst zurück. – Deshalb die Faszination von Verlust und Verzicht, durch die man sich seine eigene Wüste erschaffen kann (zum Beispiel die eigene Wohnung als Mönchszelle – nur ein Tisch, ein Stuhl, ein Bett und leere Wände – die Kargheit des Lebensraums als Refugium des Selbst im Angesicht des Todes).



Sloterdijk, Peter: Weltfremdheit. Frankfurt am Main: Suhrkamp (edition suhrkamp), 1993