"Was für ein Irrtum, zu meinen, nur die Abschiede wären tragisch. Hat nicht ein Abschied, eine Trennung wenigstens die Entschiedenheit für sich, die Radikalität eines Abbruchs. Und ist solche Endgültigkeit nur ein Nachteil? Eine Tür fällt ins Schloß und sperrt das Vergangene aus. Doch was bedeutet das alles gegenüber der Ungewißheit und Verlorenheit der Ankünfte, die mich dem Zufall einer Stimmung, eines Blicks ausliefern, der über mein Schicksal entscheiden wird? Wenn der Abschied ein hinter mir sich schließendes Zimmer ist, dann erstreckt sich die Ankunft wie ein vages und offenes Gelände vor mir voll Zufälligkeit und Schmerz, ein weites Gebiet, das für den Tod wie für die Freude in gleicher Weise offensteht."
Undine Gruenter, Ein Bild der Unruhe, 107

Das Ende einer Liebe ist schmerzlich, aber in seiner Eindeutigkeit auch einschätzbar. Der Anfang einer Liebe hingegen stürzt uns in Strudel der Ungewissheit, es ist ein Gehen auf dünnem Eis, der freie Fall ins Bodenlose, ist die Pendeltür zum Himmel oder zur Hölle. Der Verlust ist jederzeit möglich, jedem Gelingen droht das Scheitern.



Gruenter, Undine: Ein Bild der Unruhe. Roman. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch, 1989