"Damit es Gabe gibt, ist es nötig, daß der Gabenempfänger nicht zurückgibt, nicht begleicht, nicht tilgt, nicht abträgt, keinen Vertrag schließt und niemals in ein Schuldverhältnis tritt. (Dieses »es ist nötig« markiert bereits eine Pflicht, eine Pflicht des Nichtsollens: der Gabenempfänger soll (ist es sich schuldig) nicht zurückgeben, er hat die Pflicht, nicht zu sollen (nicht schuldig zu sein), und der Geber die, nicht mit der Rückgabe zu rechnen). Letztlich darf der Gabenempfänger die Gabe nicht einmal als Gabe anerkennen. Wenn er sie als Gabe anerkennt, wenn die Gabe ihm als solche erscheint, wenn das Präsent ihm als Präsent präsent ist, genügt diese bloße Anerkennung, um die Gabe zu annullieren"
Jacques Derrida, Falschgeld. Zeit Geben I, 24

Ein Geschenk fordert ein Gegengeschenk – oder zumindest die Bekundung von Dankbarkeit. Der/die Beschenkte gerät in die Schuld der/des Schenkenden. Schenkend will man eine Schuld loswerden. So etabliert das Schenken als Schuldtransfer ein Tauschverhältnis, wenn es zum Ausgleich kommt, hingegen ein Machtverhältnis, wenn weniger zurückgegeben werden kann, als gegeben wurde. In beiden Fällen wird der Sinn des Schenkens zerstört.
Soll Schenken etwas anderes sein als Tauschen im Kreislauf von Schuld und Opfer, darf es keine Gegengabe, keine Dankbarkeit, überhaupt keine Anerkennung des Geschenkes geben. Auch der Schenkende darf sich nicht durch ein Bewusstsein der eigenen Großzügigkeit belohnen.



Derrida, Jacques: Falschgeld. Zeit Geben I. München: Wilhelm Fink Verlag, 1993