"Wenn du zu krank und erschöpft bist zu manipulieren oder zu lügen, wenn du wei&ßt, da&ß du von niemandem mehr etwas bekommen wirst, wenn die Leute, die dich lieben, schlie&ßlich doch damit aufgehört haben - dann scheint dir das alles eine letzte Chance zu bieten, gerade dann, wenn es dir völlig egal ist und du nur auf den Tod wartest."
A. L. Kennedy, Paradies, 288

Hintergrund der Passage ist ein fortschreitender Abstieg in Alkoholismus und Depression. Die Krise spitzt sich zu, als sich die anderen zurückziehen und letztlich nur die eigene Einsamkeit und Verlorenheit bleibt.
Solange sich noch Adressaten für die Bekundung des eigenen Elends finden, können wir uns in ihm mehr oder weniger selbstgefällig einrichten. Doch wenn die Zuneigung der anderen von Gleichgültigkeit abgelöst wird, wenn sich alle zurückgezogen haben, wenn das Publikum für das Pokern um Vorteile abhanden gekommen ist, findet eine Desillusionierung auf allen Ebenen statt. Erst dann – radikal auf sich selbst zurückgeworfen, kurz vor der Selbstaufgabe – können wir vielleicht doch noch ungeahnte Kräfte in uns mobilisieren, das Ruder noch einmal herumzurei&ßen – ein letztes Aufbäumen vor dem Untergang.



Kennedy, A. L.: Paradies. Roman. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch, 2008