"In einer Epoche kollektiver Arbeit, kollektiven Gesanges und kollektiven Vergnügens ist der Mensch einsamer denn je. Denn der moderne Mensch gibt sich seinem Tun nicht völlig hin. Immer bleibt ein Teil seiner selbst, und zwar der tiefste, unberührt auf der Lauer. Im Jahrhundert der Aktion lauert der Mensch sich selber auf. Die Arbeit, der einzige Gott der Moderne, hört auf, schöpferisch zu sein. In ihrer Ziel- und Endlosigkeit entspricht sie dem ziellosen Leben der modernen Gesellschaft, und die Einsamkeit, die sie mit sich bringt, die verworrene Einsamkeit der Hotels, Büros, Werkstätten und Kinos, ist keine Prüfung, die die Seele läutert, kein notwendiges Fegefeuer, sondern gänzliche Verdammung, Spiegel einer Welt ohne Ausweg."
Octavio Paz, Das Labyrinth der Einsamkeit, 198

Man ist einsam, wenn man das, was man tut, nicht als Ausdruck seiner selbst empfindet. Doch dies ist heute für viele Menschen der Fall. Ihr Tun ist nicht Ausdruck ihrer Selbstverwirklichung, sondern ihrer Selbstentfremdung.



Paz, Octavio: Das Labyrinth der Einsamkeit. Essay. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Bibliothek Suhrkamp), 1974